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Papablog: Kommentar zu den WahlenMutti, bleib gefälligst zu Hause!

Zurück an den Herd? Wenn am Ende des Monats zu viel Geld übrigbleibt, lohnt sich Arbeiten gehen für Mütter in der Schweiz nicht wirklich.

Als deutscher Autor für ein Schweizer Medium zu schreiben, ist nicht ganz einfach und zugleich ein ziemliches Privileg: Auf der einen Seite werde ich die Feinheiten von Schweizer Politik und Gesellschaft niemals ganz erfassen können. Auf der anderen Seite habe ich von der Seitenlinie einen ganz guten Blick auf das Feld. Ich muss mich hier nicht so aufspielen, als könnte ich die Schweizer Parlamentswahl umfassend kommentieren. Das wäre ob meiner mangelnden Kenntnisse auch ziemlich lächerlich. Mich würde allerdings schon interessieren, was knapp 30 Prozent der Wählenden an der Familienpolitik der SVP begeistert.

Kostspielige Kinderbetreuung

Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber die Schweiz ist doch das Land, das für familienexterne Betreuungsstrukturen weniger als 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausgibt. Hier ist Kinderbetreuung fast komplett Privatsache, Grosseltern sind systemrelevant für die Betreuung und eine Familie mit mittlerem Einkommen zahlt für zwei Vollzeitkrippenplätze knapp die Hälfte davon.

«Falls ich Recht habe, servieren Ihnen in Zukunft Leute von gestern Familienpolitik von vorgestern.»

Hier gibt es die teuersten Betreuungsplätze der Welt. Wenn da nicht am Ende des Monats zu viel Geld übrigbleiben soll, lohnt sich Arbeiten gehen für Mütter nicht wirklich. Und trotzdem wird in der Schweiz immer wiedermal damit auf Stimmenfang gegangen, dass «Kinder verstaatlicht werden sollen». Ich würde das bei Gelegenheit gerne erklärt bekommen. Drei Viertel aller Schweizer Gemeinden können keinen einzigen Kitaplatz anbieten. Knapp 80 Prozent der Grosseltern müssen regelmässig ran, um so etwas wie ein Arbeitsleben auch nur ansatzweise ermöglichen zu können.

Es ist also nicht gerade so, als hätten Schweizer Eltern wirklich gute und bezahlbare Angebote zur Fremdbetreuung ihrer Kinder. Tatsächlich haben Sie zumeist gar keine. Und vor diesem Hintergrund ist eine Partei erfolgreich, die mit ihrer Familienpolitik gerne den Teufel an die Wand malt und auch schon erzählte – wir erinnern uns – dass «Kinder den Eltern möglichst früh entrissen werden sollen, um sie in staatlichen Einrichtungen zu erziehen und auszubilden». Dieser Teufel wurde damals dann auch noch allen Ernstes mit weinenden Kindern hinter Gittern bebildert.

Phu, das war knapp …

Ich hatte schon ein paar Mal das Vergnügen, mich in der wunderschönen Schweiz aufzuhalten und muss als ehemaliger DDR-Bürger gestehen: Die Ähnlichkeit der Schweiz zu einem angeblich sozialistischen Unrechtsstaat ist mir gar nicht aufgefallen. Bislang hatte ich die Schweizer Familienpolitik eher als reaktionär-konservatives Überbleibsel einer Ära eingestuft, in der Mutti gefälligst zu Hause bleiben, die Schnauze zu halten und die Kinder zu betreuen hat.

Bislang glaubte ich, die mangelnde Kinderbetreuung sei Ausdruck einer radikal marktliberalen Überzeugung, die sich den Staat so schlank wie möglich wünscht und dafür auf die Bedürfnisse von Familien spuckt, weil ist ja deren Angelegenheit. Aber jetzt stellt sich heraus, dass Sie mit der letzten Wahl nur um Haaresbreite bolschewikischen Kinderkasernen entgangen sind. Puh, das war aber knapp. Falls ich das irgendwie durcheinandergebracht haben sollte, sehen Sie es mir nach. Im Zweifelsfall bin ich nur ein virtueller Gummihals. Aber falls ich Recht habe, servieren Ihnen in Zukunft Leute von gestern Familienpolitik von vorgestern.

Herzliches Beileid!