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Der Osterhase – ein PorträtEr hat das Monopol für Ostereier

Der Hase kann mit seinen seitlich am Kopf sitzenden Augen fast einmal rundum blicken.

Er hat keine Zeit. In seinem traditionellen Familienunternehmen wird dieser Tage jede Pfote gebraucht. Dennoch lässt er sich zu einer Audienz herab, da er «endlich einmal ein paar Dinge klarstellen möchte».

Treffpunkt: Eine Wiese im Mittelland, zu sehr früher Morgenstunde. Es ist kühl, die Sonne noch rötlich. Der Osterhase ist weit und breit nicht zu sehen. Plötzlich erhebt er sich in unmittelbarer Nähe aus seiner Sasse, einer Vertiefung im Gras. Nein, er lebe eben nicht in einem Erdloch. Das sind die Kaninchen. Unschwer ist zu erkennen, dass der Hase seine herzigen hoppelnden Verwandten nicht besonders schätzt.

Doppelt so gross wie ein Kaninchen

Er erklärt, hoch auf seine Hinterbeine aufgerichtet, dass er, der Hase, die längeren Ohren habe, dass er nicht im Familienrudel lebe und fast doppelt so gross wie ein Kaninchen sei. Und bis zu fünf Kilo könne er schwer werden.

Wachsam blickt er in fast alle Richtungen gleichzeitig. Es ist schwer, den unsteten Augen zu folgen, da sie seitlich am Kopf sitzen. «Wer uns Angsthasen nennt, hat keine Ahnung.» Verächtlich zuckt der Langohrige mit der Nase. «Natürlich müssen wir sehr aufmerksam sein. Wir haben schliesslich viele Feinde.» Dabei falle es einem Wolf, Fuchs, Habicht oder Adler sehr schwer, einen «alten Hasen» zu fangen. Bis zu 12 Jahre kann der Feldhase, Lepus europaeus, werden.

Ein Feldhase kann Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde erreichen.

Zu Ostern, wenn die Hasen in die Städte müssen, um ihre Eier zu verteilen, machen sie sich auch schon mal einen Spass aus ihrer Sprintfähigkeit, verrät Meister Lampe. «Ein Cousin wurde einmal mit Rekordtempo 80 geblitzt», grinst der Osterhase stolz und entblösst für einen Moment seine beiden grossen Schneidezähne. Dann fügt er noch schnell an, dass er selber drei Meter weit und zwei Meter hoch springen kann und wilde Haken schlägt, wenn er gejagt wird.

Einen ganz anderen Rekord weisen die Umsatzzahlen des Ostereier-Lieferanten auf. Seit 1682 Hasen erstmals als Überbringer österlicher Gaben erwähnt wurden, ist der Erfolg ihres Familienbetriebes ständig gewachsen. Kein Kunststück, denn die zuvor ebenfalls im Volksglauben verdächtigten Eierverteiler wie Fuchs, Hahn, Storch oder Kuckuck schieden nach und nach aus, bis schliesslich die Hasen seit dem 19. Jahrhundert das Monopol innehatten.

Bereits in der Antike galten Hasen als Symbol für die Fruchtbarkeit und wurden auch der Liebesgöttin Aphrodite als Attribut beigefügt.

Wer aber war zuerst da, der Hase oder das Ei? «Nun ja.» Der Osterhase zieht etwas verlegen einen seiner Löffel mit der Pfote nach vorne und lässt ihn zurückschnellen. Die Eier habe man wohl bereits im 4. Jahrhundert gefärbt, räumt er ein. «Aber uns Hasen verehrt man schon viel länger – wegen unserer Fruchtbarkeit. Wir waren die heiligen Tiere der germanischen Frühlingsgöttin Ostara und noch früher auch die der griechischen Liebesgöttin Aphrodite.»

In einem Wurf können die jungen Hasen von mehreren Vätern abstammen.

Bis zu 20 Junge kann ein Hasenweibchen im Jahr zur Welt bringen. «Und wussten Sie, dass eine Häsin schon wieder befruchtet werden kann, wenn sie noch tragend ist?», prahlt der stattliche Rammler. So könne eine Hasendame mit zwei Würfen gleichzeitig trächtig sein. Dass sich ein Weibchen zudem mit mehreren Partnern paart und deshalb die Jungtiere eines Wurfs mehrere Väter haben können, erwähnt er etwas leiser, ganz beiläufig.

Bleibt die Frage: Wer legt denn nun die Ostereier? Stimmt es, dass Eier und Hasen nur deshalb zu Ostern zusammentreffen, weil beide als Fruchtbarkeitssymbole gelten? Sichtlich um eine Antwort ringend, mümmelt der Osterhase nervös an ein paar Kräutern. Plötzlich wirkt er gehetzt: «Ich muss jetzt wirklich los. Schliesslich wollen alle Kinder mit Ostereiern versorgt sein – mit selbst gelegten, selbst bemalten und selbst ausgelieferten, versteht sich.»

Sprichts und springt davon. In der Ferne sieht man noch lange seine weisse «Blume» auf und ab hüpfen.
Dieser Text ist erstmals am 10.4.2004 im Tages-Anzeiger erschienen.

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