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Fast vier Jahre Gefängnis Berner Bauunternehmer ritt Firmen in den Konkurs

Das Wirtschaftsstrafgericht an der Speichergasse in Bern befasste sich mit den undurchsichtigen Geldflüssen.

Der Unternehmer ist jeweils kaum zu stoppen, wenn er einmal mit seinen Ausführungen begonnen hat. Bei der Befragung vor dem kantonalen Wirtschaftsstrafgericht erinnert er sich an viele noch so kleine Details zu den Finanzflüssen unter seinen Firmen.

Er begründet jede Buchung. Jeder Zahlung stehe eine Leistung gegenüber. Er bestreitet, dass seine Firmen überschuldet gewesen seien, räumt aber ein, dass er bei der Buchhaltung nachlässig gewesen sei.

«Die Anklage des Staatsanwalts kommt aus dem Fantasiebuch», sagt er. In seinem letzten Wort wird der 61-Jährige mit der tiefen Stimme noch deutlicher. «Ich bin fassungslos, erschüttert, ja schockiert von der Anklage.»

Der Staatsanwalt habe nichts Entlastendes zu seinen Gunsten gesucht und wichtige Zeugen nicht befragt. Er selbst habe immer gedacht, dass solche Prozesse nur in Russland möglich seien. «Aber ich bin wohl doch der grösste Verbrecher, der hier herumläuft», fügt er nicht ohne Ironie an.

Mit Geldern herumjongliert

Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte wirft ihm unter anderem ungetreue Geschäftsbesorgung, Betrug, betrügerischen Konkurs, Misswirtschaft und Urkundenfälschung vor. Schwergewichtig in den Jahren 2019 bis 2021. Laut Anklageschrift geht es um einen Deliktsbetrag von über 1,6 Millionen Franken. Darunter ist ein Covid-Kredit von 480’000 Franken.

«Er ist ein Artist darin, Forderungen hervorzuzaubern, Geld hin- und herzuschieben, innerhalb seines Firmenkonglomerats, aber auch nach aussen», sagt Staatsanwalt Andreas Kind in seinem Plädoyer.

Drei Firmen in seinem Portfolio gingen in Konkurs, die Gläubiger schauten in einem Fall, einem Totalunternehmen, ganz in die Röhre. Die Forderungen der Gläubiger beliefen sich auf 1,8 Millionen Franken.

Staatsanwalt Kind forderte für den beschuldigten Firmenchef eine Freiheitsstrafe von 56 Monaten. Dazu beantragte er ein fünfjähriges Verbot, im Bereich Immobilien, Bau, Treuhand und Hotel in verantwortlicher Funktion tätig zu sein.

Das Firmenkonto geplündert

Dass die Anklage nicht aus dem Fantasiebuch stammt, zeigt sich am Freitagmorgen bei der Urteilseröffnung. Das Wirtschaftsstrafgericht verurteilt den Beschuldigten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 46 Monaten.

Dazu kommen eine bedingte Geldstrafe und eine Busse. Das Gericht folgt in den meisten Punkten der Anklage. Es reduziert die Deliktsumme in einigen Fällen aber nach unten, besonders beim Covid-Kredit.

Gerichtspräsident Raphael Künzi bezeichnet den angeklagten Firmenchef als «überdurchschnittlich intelligent mit chaotischen Charakterzügen». Als Verwaltungsratspräsident oder Geschäftsführer habe er in seinem Konglomerat von Firmen über die Finanzen verfügt und in dieser Funktion Geld zwischen den Gesellschaften verschoben.

Ob die jeweiligen Zahlungen berechtigt waren, blieb in vielen Fällen offen. Denn Belege fehlten, die Buchhaltung war nicht ordnungsgemäss geführt oder überhaupt nicht. Im Fall einer Firma habe der Beschuldigte das Konto noch «geplündert und als Darlehen kaschiert», so das Gericht.

Das Geld floss teilweise in den Kauf und die Sanierung seines alten Bauernhauses. Über die Kreditkarte dieser Firma hat der Unternehmer ausserdem seine Hochzeit in Las Vegas bezahlt. Insgesamt muss er gut eine halbe Million Franken zurückzahlen.

Bilanzen beschönigt

In den Jahresrechnungen respektive den Bilanzen von Firmen liess er offene Forderungen verbucht, obwohl diese längst hätten abgeschrieben werden müsse. Sie hatten keinen Gegenwert.

So sah die Bilanz in den Büchern zu gut aus, die effektive Überschuldung kam so nicht zum Vorschein. «Als ehemaliger Dozent für Betriebswirtschaft an Fachhochschulen hätte er wissen müssen, dass das nicht sauber war», sagt Gerichtspräsident Künzi.

Das von der Staatsanwaltschaft beantragte befristete Berufsverbot spricht das Gericht nicht aus. Dieses sei nicht sinnvoll, weil es kaum kontrollierbar wäre, begründet Raphael Künzi. Der Unternehmer könnte ja einfach jemanden anderen als Verantwortlichen vorschieben.

Passivmitglied im Verwaltungsrat

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass seine Ehefrau wegen Misswirtschaft per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden ist. Sie war in den Verwaltungsrat einer Firma gewählt worden, die kurz darauf in Konkurs ging. Der Staatsanwalt warf ihr vor, ihre Pflichten verletzt zu haben, weil sie betreffend die Finanzen untätig geblieben war.

Die Ehefrau, eine Albanerin, sagt vor Gericht, dass sie nur «Passivmitglied» des Rats gewesen sei und ihrem Gatten voll vertraut habe. Den wahren Grund für die Wahl in den Verwaltungsrat nennt der Beschuldigte ohne Umschweife. Es sei in der Corona-Zeit mit dem Mandat einzig darum gegangen, ihre Einreise in die Schweiz zu ermöglichen.

Der Unternehmer ist mit seinen Firmen auf den Bau von Passiv- und Minergiehäusern sowie energetische Gebäudesanierungen spezialisiert. Lange galt er als innovativ, war in der Branche ein gefragter Mann und heimste für seine Projekte mehrere Preise ein.

Doch nach und nach bröckelte das Imperium, der Schuldenberg stieg. Bauherren waren unzufrieden, Handwerker blieben auf offenen Rechnungen sitzen. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln.

Sein Kampf geht weiter

Der Unternehmer hat trotz der schwerwiegenden Vorwürfe während der ganzen Verhandlung stets ein Lächeln im Gesicht. Auch nach dem Urteil wirkt er gegen aussen gut gelaunt, obwohl er während der Urteilseröffnung immer wieder leicht den Kopf schüttelt.

Denn für ihn ist klar, dass in diesem Verfahren das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und er beim Obergericht Beschwerde einreichen wird. Auch auf vielen anderen (Neben-)Schauplätzen werde sein Kampf weitergehen.

Vorerst schaut er nach vorne und investiert seine Zeit ins Geschäft. Etwa in China, wohin er dieses Jahr schon ein halbes Dutzend Mal geflogen sei, sagt er. Oder in Dubai, wo gerade ein grosses Projekt anstehe.