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Editorial zur eingebildeten KriseWarum ich, wider alle Vernunft, die Prämien-Initiativen annehmen könnte

Medikamente und Arztbesuche: Alles ist teuer.

Es gibt keinen anderen Bereich, der so stark gewachsen ist wie das Gesundheitswesen. Die Prämien explodierten seit der Einführung der obligatorischen Krankenkasse 1996 geradezu. Zweieinhalbmal mehr zahlen Prämienzahlerinnen und Prämienzahler im Schnitt, der Lohn stieg in der Zeit nur um 30 Prozent. Gleichzeitig konsumieren wir viel mehr Gesundheitsleistungen. Die massiven Mehrkosten für psychische Krankheiten sind nur ein Beispiel für die Kostenexplosion, die vielen Stunden Physiotherapie, die heute mehr verschrieben werden als vor 30 Jahren, wären ein anderes. Vieles ist berechtigt, inklusive der Enttabuisierung der «Mental Health».

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Aber wenn die psychische Gesundheit zum Lifestyle und die Physiotherapie zum Ersatz für das Fitnessstudio wird, dann läuft etwas schief im System. Wenn jede und jeder wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt, oder noch besser in die Notfallaufnahme, rennt, dann auch. Dass man anfangen sollte, zu überdenken, ob es wirklich noch einen Awareness Day braucht, oder ob man da nicht noch mehr Nachfrage generiert, ist überfällig. Und dass sich die Psychiater und Psychologen einmal überlegen sollten, ob es wirklich sinnvoll ist, ihre Patienten monatelang ganz aus dem Arbeitsleben zu nehmen, ist dringend nötig.

Sparen im Schweizer Gesundheitswesen ist möglich, ohne dass gleich reihenweise Leute unglücklich werden oder früher sterben, weil sie ihre Krankheit verschleppen. Das Gefühl kommt ja jeweils auf, wenn man den Diskussionen über Leistungskürzungen zuhört. Darum passierte in den zwölf Jahren unter Alain Berset eigentlich nichts, was die Kosten bremsen würde. Es war bisher schlicht zu einfach, die Kosten abzuwälzen. Da die Prämien in jeder Region verschieden sind, liess sich der Frust der einen gegen die Erleichterung der andern ausspielen, dass sie dieses Jahr mal wieder von einer Prämienerhöhung verschont wurden.

Es ist darum kein Zufall, dass gerade jetzt zwei Initiativen zum Gesundheitswesen zur Abstimmung kommen, die gute Chancen auf eine Annahme haben: die Prämien- und die Kostenbremseinitiative. Die eine will die Prämien bei 10 Prozent des Einkommens beschränken, die andere verlangt, dass die Kosten nicht viel stärker steigen als die durchschnittlichen Löhne und die Gesamtwirtschaft wachsen. Bei beiden Initiativen warnen die Gegner, dass sie das Gesundheitswesen teurer machen.

Das stimmt nicht, aber es wären jeweils andere als heute, die zahlen müssen. Eine reine Umverteilung also – hin zu denen, die heute schon hohe Steuern zahlen. Genauso wie es bei der 13. AHV-Rente war. Das hat zwar für die meisten angenehme Folgen, weil es wenige sind, die den Grossteil der Steuern und Abgaben zahlen. Für die Schweiz als Ganzes, die reich geworden ist, weil viele wohlhabende Leute ihr Vermögen hierhergebracht haben, ist es gefährlich: Wir verlieren einen Standortvorteil.

Es gibt aber einen Vorteil, wenn die Initiativen durchkommen. Und darüber hat man bisher zu wenig diskutiert. Wenn die Gesundheitskosten gedeckelt und die Prämien bei 10 Prozent des Einkommens eingefroren werden, dann entsteht ein massiver Spardruck. Dies, weil sonst, nicht zuletzt wegen der Schuldenbremse, die Steuern erhöht werden müssen. Und das werden die wohlhabenden Betroffenen mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Genauso wie sich alle anderen Bezüger von Staatsleistungen dagegen wehren werden, dass sie aus Spargründen weniger bekommen.

Übermässiger Leistungsbezug, Abzockerlöhne für Krankenkassendirektoren, die Auswüchse der freien Arztwahl, die zu hohe Spitaldichte und die in manchen Fällen zu tiefe Franchise: Das alles kommt hoffentlich endlich auf den Tisch, wenn man nicht mehr einfach die Prämien erhöhen kann. Es wäre ein Anreiz, wider die Vernunft, für die Initiativen zu stimmen.