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Mamablog: Leben mit KleinkindVon Ordnung, Sucht und trügerischen Strategien

Jeweils ein vermeintlich magischer Moment für unsere Autorin, wenn das Rüebli-Kunstwerk unter dem Esstisch plötzlich wie ein funkelnder Fliesenboden aussah.

Bevor ich Kinder hatte, wohnte meinem Ordnungssinn eine gewisse Lässigkeit inne. Er glich der Verpflichtung, einen Dentalhygiene-Termin zu vereinbaren: wichtig, aber aufschiebbar, wenn das Leben gerade Wichtigeres fordert.

Diese Lässigkeit änderte sich leider just zu dem Zeitpunkt, als sie dringend gebraucht worden wäre: als meine Kinder noch klein waren. Gerade als die beiden sabbernd und «brösmelnd» durch die Wohnung zu robben begannen, um alles zu ergreifen, was nicht festgeschraubt war, entwickelte ich einen – sagen wir – leicht pathologischen Ordnungswahn, von dem ich glaubte, er sei meine Wellnessoase. Kaum machten die kleinen Kröten ihren Mittagsschlaf, heizte ich die Aufräumsauna ordentlich ein. Wie prickelnd, dieses Geräusch, wenn die Klötzchen jeweils in der Kiste landeten. Welch Gänsehaut, wenn sich das Rüeblifeld unter dem Tisch in glänzende Fliesen verwandelte. Ganz zu schweigen von dem Hochgefühl, wenn die Bücher der Grösse nach im Regal verschwanden und die Kissen ordentlich drapiert auf dem Sofa lagen, dann fühlte ich mich für einen Moment wie ein Model aus einem Katalog.

Täglicher Kampf gegen die Sinnlosigkeit

Ich weiss, meine Freunde, die das jetzt lesen, werden irritiert die Augenbrauen hochziehen und denken: «Na, na, jetzt fängt sie aber an, in ihren Blogs zu fantasieren. Also ich habe von dieser Ordnung nichts bemerkt.» Behaltet es für euch, liebe Freunde, denn damit trefft ihr mitten ins Drama der Geschichte. Denn natürlich – kaum sass ich mit einem Kaffee in der aufgeräumten Kataloglandschaft, drang der erste Schrei aus dem Kinderzimmer, der das Ende der Pause einläutete. Und wenn die süssen Kleinen dann rotbackig erholt ihren Bagger-Feldzug im Wohnzimmer fortsetzten, sah dieses nicht nur innert einer Stunde haargenau gleich aus wie zuvor, sondern markierte auch grell die Sinnlosigkeit meines Tuns. Wie bei Süchtigen, wenn die Schädlichkeit ihres Tuns sichtbar wird, schwor auch ich mir, mit diesem Nonsens aufzuhören. Am nächsten Tag wollte ich auch nur kurz etwas aufheben, landete aber wieder im Sog des sinnlosen Kicks vom Aufräumen.

Ein Nachbar als Spiegel der Erkenntnis

Doch oft sind Süchte ja ein Symptom, dem etwas anderes zugrunde liegt. Und eine Drittperson, die einen damit konfrontiert, hilft, das Darunter zu erkennen. In meinem Fall war dies ein Nachbar, selbst mehrfacher Vater. Als mal wieder Mittagsschlaf war, räumte ich draussen auf, als er belustigt zu mir sagte: «Na, schaufelst du Schnee bei Schneefall?» Ich schaute erst verdutzt zu ihm, dann auf die Sandschaufel in meiner Hand und verstand den Joke erst, als er ergänzte: «Aufräumen mit kleinen Kindern macht so viel Sinn, wie Schaufeln, wenn es schneit!»

In diesem Moment fiel bei mir der Groschen. Nicht über den Kopf, dieser hatte die Sinnlosigkeit ja längst begriffen. Doch plötzlich erkannte ich die Sehnsucht hinter meinem Tun. Es ging gar nicht um Ordnung. Es ging um das Gefühl von Selbstwirksamkeit, von Kontrolle, um den Drang, das Leben im Griff zu haben. Ein Lebensgefühl, das bisher selbstverständlich zu mir gehörte und das in meinem Leben als Vollzeitmutter zweier Kleinkinder im Rüeblibrei unter dem Tisch ersoffen war. Mitten in meiner Müdigkeit, die der miserable Nachtschlaf meiner Kinder mit sich brachte, sehnte ich mich danach, wie früher einfach wieder von A nach B zu kommen, statt zwischen A und B zu taumeln, ohne dass mein Tun je sichtbar wurde.

Deshalb versuchte ich, die alten Strategien des Handelns in mein Leben zu integrieren. Doch dieses forderte nun neue Qualitäten von mir: Annehmen, Pragmatismus und Selbstfürsorge. Mein Nachbar war bereits verschwunden, als ich die Schaufel auf den Rasen schleuderte und begriffen hatte: Die Kontrolle über mein Leben zu erlangen, bedeutet vor allem, dafür zu sorgen, dass ich bei Kräften bin.

Also legte ich mich fortan mit den Kindern hin, wenn sie Mittagsschlaf hielten. Natürlich herrschte nach dem Aufwachen immer noch Chaos. Aber erstens wäre dies ohnehin innert Kürze wiederhergestellt gewesen, und zweitens hatte endlich auch ich rote Wangen nach der Mittagszeit sowie – bedeutend bessere Laune. Und das half sehr dabei, das Leben so anzunehmen, wie es eben mit Kleinkindern ist.