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Kommt jetzt der Anti-Bigler?Das Gepolter ist beim Gewerbeverband vorbei – nun wird er harmonischer

Urs Furrer, neuer Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, kommt von Chocosuisse.

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Erwartungsvolle Gesichter, 350-fach. So viele Gewerblerinnen, Gewerbler und zugewandte Orte sind am Dienstag in den Berner Kursaal gepilgert, um live mitzuerleben: Wie wird der frühere Direktor Hans-Ulrich Bigler, bekannt für seine markigen Worte und vor einem Jahr unter Gepolter in Pension gegangen, offiziell verabschiedet? Nimmt Nachfolger Urs Furrer ebenfalls kein Blatt vor den Mund, oder ist künftig Leisetreten angesagt?

Die Ausgangslage für den Gewerbekongress – die Massenveranstaltung, an welcher der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) alle zwei Jahre seine Gremien neu bestellt – verspricht einiges an Spannung. Angefangen bei den Turbulenzen um die Neubesetzung des Direktorenpostens: Der zuerst gewählte Nachfolger Biglers, Henrique Schneider, konnte sein Amt wegen Plagiatsvorwürfen nicht antreten.

Zusätzlich befeuert hat die Spekulationen über die gewerbliche Verbandszukunft eben erst Präsident Fabio Regazzi. Nun sei der SGV etabliert, «nun können wir im Stil etwas gemässigter werden», kündigte der Tessiner Mitte-Nationalrat in der SonntagsZeitung an. Konkret werde man künftig EU-freundlicher und kompromissbereiter.

Lehren aus der verlorenen AHV-Abstimmung

Als Bigler mit zweistündiger Verspätung eintrifft, hat Regazzi seine Ansprache an die «liebe KMU-Familie» bereits hinter sich. Hat die leidvolle Geschichte der Besetzung des Direktorenpostens in Erinnerung gerufen, ebenso wie die kürzliche Niederlage bei der Abstimmung zur 13. AHV-Rente. Hat ein bisschen Asche auf sein präsidiales Haupt gestreut und das nötige Mass an Zuversicht verströmt: Turbulenzen seien in der Politik normal.

Aus der letzten Abstimmung habe man gelernt, dass man früh unterwegs sein müsse. Der Gewerbekongress im April steht deshalb unter dem Motto «Mobilität» und befasst sich mit dem Autobahnausbau, über den frühestens im November abgestimmt wird, mit dem SGV im Lead. «Wir werden an Schlagkraft gewinnen», verspricht Regazzi noch und wird per Akklamation als Gewerbeverbandspräsident wiedergewählt, bevor er Albert Rösti das Wort übergibt.

Der Verkehrsminister ist ebenfalls gewissermassen ein verhinderter SGV-Würdenträger: Am letzten Gewerbekongress wurde er zwar in die Gewerbekammer gewählt. Nach einem halben Jahr kam ihm aber die Wahl in den Bundesrat dazwischen.

Nun richten sich 350 Augenpaare auf den Mann, der die zusätzliche Schlagkraft, kombiniert mit EU-Freundlichkeit und Kompromissbereitschaft, operativ umsetzen soll. Urs Furrer, wohnhaft im Aargau, kommt von der süssen Seite des Lebens. Zehn Jahre lang leitete der Anwalt die Branchenverbände Chocosuisse und Biscosuisse, hatte täglich mit Schokolade zu tun, «aber auch in einem Schoggijob muss man ab und zu eine harte Nuss knacken», wie er sagt.

Kampf gegen «überbordende Bürokratie»

Den ersten öffentlichen Auftritt vor grossem Gewerbepublikum nutzt Furrer, um einem schlanken Staat das Wort zu reden. Er werde den Kampf gegen überbordende Bürokratie und Regulierungswut weiterführen, versichert er. Sich für die Berufsbildung einzusetzen, für die Kernenergie. Von Europafreundlichkeit sagt er nichts.

Dafür lässt er durchblicken, wo er Verbesserungspotenzial ortet. Er übernehme in einer Zeit, in der die Wirtschaftsverbände in der Bevölkerung Vertrauen verloren hätten. Die Zusammenarbeit mit Economiesuisse, mit Arbeitgeber- und Bauernverband sei zwar hilfreich, aber nicht das Mass aller Dinge: «Wir müssen uns immer wieder fragen, wo sie uns wirklich dient, und wo wir nicht gleicher Meinung sind, werden wir das unseren Verbündeten sagen – kritisch, aber konstruktiv.»

Sagts laut, bestimmt, und streut immer wieder ein paar französische Sätze ein. Kündigt am Ende seiner Rede an, durchs Land zu reisen, um die Sorgen der KMU zu erfragen – und auch um seine Französischkenntnisse zu verbessern. Dafür erntet er spontanen Applaus.

Bigler gibt sich ungewohnt friedlich

Viel länger geklatscht wird allerdings beim Verabschieden des Vorgängers. Als Regazzi Bigler für sein «riesiges Engagement für das Gewerbe und die KMU» dankt. Ihn als starke, streitbare Führungspersönlichkeit mit Ecken und Kanten würdigt: «Ich gebe zu, lieber Hansueli, es war nicht immer einfach mit dir – doch wir hatten immer das gleiche Ziel und die gleichen Interessen.» Ihn mit Christoph Blocher vergleicht, «der all die Jahre gegen den Mainstream geschwommen ist und nicht nur austeilen konnte, sondern auch einstecken».

Bigler wiederum gibt sich ungewohnt friedlich: «Lieber Fabio, wenn man sich nicht streitet, dann ist es einem in der Sache nicht ernst», antwortet er. Seinem Nachfolger wünscht er viel Vergnügen und das nötige Stehvermögen. Der Applaus will gar nicht verebben.

Das Swiss Jazz Sextett spielt «Route 66», 350 Gewerbler und Gewerblerinnen mit mehr oder weniger strahlenden Gesichtern schreiten zum Stehlunch mit Blick auf die Berner Altstadt. Von Spannung keine Spur, dafür Harmonie pur. So sehr, dass es beinahe unheimlich wird.

Ein ehemaliger Nationalrat staunt: Es sei ihm vorgekommen, als habe man das Streiten verlernt. Was kein Grund zur Freude sei.