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Leitartikel zur EnergiewendeVerschrottet den Solar-Express

Blick auf die Testanlage Tschers des Grossprojekts Nandro-Solar in Surses. Die Gemeindeversammlung hat das Vorhaben diese Woche abgelehnt.

Den Anfang machte Surses GR, zwei Tage später folgten Hasliberg BE und Albinen VS. In drei Gemeinden dreier verschiedener Kantone hat das Stimmvolk diese Woche Pläne für Solaranlagen wuchtig verworfen. Im Fall von Albinen lag noch nicht einmal ein konkretes Projekt vor; es ging den Gemeindebehörden quasi um eine Platzreservation. Vier von fünf Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung sagten trotzdem Nein. Da halfen auch Verheissungen üppiger Steuereinnahmen und Subventionen nichts.

Die Verdikte sind nicht nur eine Niederlage für die interessierten Stromkonzerne, sondern auch für die Konstrukteure des sogenannten Solar-Express. Anderthalb Jahre sind vergangen, seit das Parlament dieses gesetzgeberische Machwerk beschloss – und damit massiv beschleunigte Verfahren für den Bau alpiner Solarparks statuierte, über die Schranken des Natur- und Landschaftsschutzes hinweg. 

Was damals den Verfassrechtlern mit ihren Einwänden nicht gelang, das schafft nun die Bevölkerung der direkt betroffenen Dörfer: Sie bremst das Parlament mit seinem Temporausch aus. Von den im Windschatten des Solar-Express lancierten Projekten – 56 an der Zahl – sind inzwischen 13 an lokalem Widerstand gescheitert. Weitere negative Voten dürften noch folgen. 

Warum die schönsten Hänge opfern?

Es wäre in der Tat wünschenswert, dass die jüngsten Entscheide aus Graubünden, dem Wallis und dem Berner Oberland zu einem Umdenken führen. Allen abgelehnten 13 Projekten ist gemeinsam, dass sie unberührte Landschaften tangiert hätten. Die Menschen sehen offensichtlich keine hinreichende Notwendigkeit, ihre schönsten Alpwiesen und Sonnenhänge zu opfern. Und sie haben recht damit.

Gewiss: Ein Ausbau der Stromproduktion ist unabdingbar. Unser Bedarf nimmt stetig zu; längerfristig könnte er von heute 60 auf 80 Terawattstunden (TWh) pro Jahr anwachsen – und dabei gilt es erst noch, 20 TWh zu ersetzen, die infolge des Atomausstiegs wegfallen werden. Sonnenenergie muss dabei einen wichtigen Beitrag leisten. Doch hat die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz völlig recht, wenn sie fordert, die erforderlichen Bauten mit bestehenden Infrastrukturen zu bündeln. Dass dies möglich ist, zeigen sorgfältig konzipierte Solarprojekte wie jenes von Davos-Parsenn. Dort gab es auch ein klares Ja in der Volksabstimmung.

Im Übrigen aber sollten sich die Energiekonzerne von ihrer Fixierung auf Grossanlagen in den Alpen lösen. Am Ausbau der dezentralen Strukturen – auf Hausdächern, an Fassaden oder entlang von Autobahnen – zeigen sie bislang zu wenig Interesse. Dabei ist das Potenzial hier riesig. Dank privater Initiative, vornehmlich von Hauseigentümern, sind die Fortschritte jetzt schon erfreulich: Gemäss einer Schätzung von Swissolar ist die Leistung von Fotovoltaik an Gebäuden im letzten Jahr um 1500 Megawatt gewachsen. Das entspricht einem Zuwachs von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die merkwürdige Rolle von Albert Rösti

Auch die Politik kann mehr tun. Ein Stromabkommen mit der EU könnte die Risiken für die Schweiz dramatisch entschärfen. Energieminister Albert Rösti, der den Strom immerhin zur obersten Priorität erklärt hat, spielte hier zuletzt eine eigenartige Rolle. Ein Stromabkommen sei zwar wünschenswert, liess der SVP-Bundesrat verlauten – aber es gehe schon auch ohne. Da schlagen offenkundig die Autarkieträume der SVP durch: von der Schweiz, die sich allein ernährt, verteidigt, mit Strom versorgt. Dass wir Probleme bekommen, wenn wir vom europäischen Strommarkt abgehängt werden: Diese Realität zu ignorieren, hilft allerdings nicht weiter. Rösti sollte den Abschluss des Stromabkommens mit höchster Dringlichkeit vorantreiben. 

Im Übrigen wird das Gesetz unter dem Titel Mantelerlass, über das wir im Juni abstimmen, für den Ausbau erneuerbarer Energien wichtige Grundlage schaffen – nicht mit Pseudo-Notrecht à la Solar-Express, sondern eingebettet in ordentliche Verfahren. Ob irgendwann in Zukunft allenfalls eine avancierte Nukleartechnologie wieder zur Option werden könnte, bleibt abzuwarten. Es hilft nichts, diese Debatte jetzt schon vom Zaun zu brechen, wie es Atomfreunde aus Politik und Wirtschaft vorhaben. Ein unnötiger Krieg der Ideologien wird die Folge sein.

Wenn wir es richtig anpacken, mit Entschlossenheit und dennoch umsichtig und sorgfältig, schaffen wir die Energiewende ohne Atomkraft. Und ohne Expresszüge.

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